Einzelbett + Einzelbett = Doppelbett = Konflikt mit dem Vermieter

old-manWir kamen recht spät aus Berlin zurück nach Bad Belzig. Wir hatten uns eingemietet in einer kleinen Ferienwohnung direkt neben dem ZEGG, einer Gemeinschaft, wo Teile unserer GFK-Ausbildung stattfanden. Weil wir auf dem IAMX-Konzert gewesen waren, waren wir guter Dinge und nicht vorbereitet auf den Schreck, der uns bevorstand.

Als wir das Tor zum Garten aufmachten kam uns eine Gestalt aus dem Dunklen entgegen und sagte in einer größeren Lautstärke als mir lieb gewesen wäre, was wir uns denn erlauben würden einfach die Betten zusammenzustellen! Es war etwa ein Uhr nachts und muss weit nach Schlafenszeit für den über achtzigjährigen Vermieter gewesen sein. Er musste die letzten Stunden in seiner Küche auf unsere Rückkehr wartend verbracht haben.

Die Möbel seien teuer gewesen und außerdem total schwer und würden kaputt gehen, wenn man sie einfach so verstellt! Wir waren beide erst mal perplex, weil wir auf eine derartige Begegnung um diese Uhrzeit nicht vorbereitet gewesen waren. Außerdem machte sich Ärger breit, dass er offenbar ohne Bescheid zu geben die Wohnung betreten hatte. Miha behielt jedoch soweit ihre Fassung. Sie beendete schließlich das Gespräch, indem sie sagte, auf diese Art und Weise und zu dieser Stunde wolle sie nicht über die Geschichte reden. Morgen sei ein neuer Tag.

Ich ging am nächsten Morgen alleine wieder zu ihm hin. Zuvor hatte ich mir während meiner Morgentoilette Zeit genommen, mich mal in ihn hineinzuversetzen.

In seiner Küche nahm ich die Stimmung am nächsten Morgen schon deutlich weniger geladen wahr als am Abend zuvor. Ich fragte ihn nach den Gefühlen und Bedürfnissen, die mir gekommen waren, als ich mich in seine Haut versetzt hatte (in der GFK nennen wir das Empathische Vermutung): Hätte er sich geärgert, weil er sich gewünscht hätte vorher gefragt zu werden, bevor wir die Betten zusammenstellen? – Ja, natürlich. Und hätte er sich Sorgen gemacht, weil ihm wichtig sei, dass seine Möbel in gutem Zustand verblieben? – Das natürlich auch! Und die Betten könne er außerdem unmöglich alleine zurückstellen in seinem Alter…

Nachdem ich ihn auf seine Bedürfnisse und Beweggründe angesprochen hatte, fing er schnell von sich aus an aufzumachen. Er sei nun mal nicht mehr der Jüngste. Früher habe er ja alles selbst gebaut und gehoben und getragen, aber mittlerweile schaffe er das nicht mehr. Außerdem sei er alleine, und seine Frau, die ja auch immer mit zugepackt habe, schon einige Jahre nicht mehr am Leben.

Dieses Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit, das einen alternden Menschen überkommt, der merkt wie er langsam seine Kräfte verliert, hatte auch ich wahrgenommen, als ich mich in ihn hineinversetzt hatte. Das Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit, das sich immer schwerer erfüllt.

Erst nachdem ich ihm zugehört und seine Bedürfnisse gehört hatte, erklärte ich ihm worum es uns ging. Dass wir durch sein Auftauchen aus dem Dunkel erschrocken waren gestern Nacht und außerdem gerne vorher wüssten, wenn er in unserer Abwesenheit  in unsere Ferienwohnung kommen würde. Ich hatte den Eindruck, dass er unsere Anliegen sehr gut hören konnte, weil ich auch ihn zuvor ernstgenommen hatte. So verabschiedeten wir uns. Ich versprach, dass wir vor unserer Abreise die Betten vorsichtig wieder in ihren Originalzustand versetzen würden. Er sagte, er werde auf meinen Vorschlag hin ein „Do not Disturb“-Schild für die Tür besorgen und empfehle uns für das nächste Mal die andere Wohnung.

Dort gebe es ein Doppelbett.

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